Türkei: Die „Freikaufsregelung“ – Ein Milliardengeschäft
(28.10.2013) Mit den aktuellen Protesten in der Türkei, die vom Gezi-Park in Istanbul auf das ganze Land ausstrahlten, verschafft sich erstmals eine breite Gruppe von Menschen Gehör, die sich bislang eher im Hintergrund gehalten hat und als unpolitisch galt. Damit wurde ein politisches Klima geschaffen, in dem auch die Marginalisierten der türkischen Gesellschaft die Chance haben, Gehör zu finden, u.a. die Kriegsdienstverweigerer. Nach der Räumung des Gezi-Parks finden regelmäßige Diskussionsforen in den zahlreichen Parks vor allem in Istanbul und Ankara statt, in dem auch antimilitaristische Aktivisten das Wort ergreifen. Vielleicht gehören auch einige der Aktivisten der Gezi-Park-Bewegung zu der gesellschaftlichen Gruppe, die zuvor eher ganz privat protestierte, indem sie sich z.B. der Ableistung des Militärdienstes entzogen: Geschätzt wird die Zahl der Fahnenflüchtigen auf 750.000, die gezwungen sind, wie Flüchtlinge im eigenen Land zu leben. Ein weiteres Protestpotential liegt allerdings noch brach: Seit Jahrzenten verdient die Türkei mit im Ausland lebenden männlichen Staatsbürgern jährlich Millionen von Euro, indem sie diese vor die Wahl stellt: entweder zahlen oder 15 Monate Militärdienst. Die Erpressung bleibt von Politik und Medien in Deutschland weitgehend unbeachtet. Und das, obwohl sie gerade im Zusammenhang mit der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft eine wichtige Rolle spielt.