USA/Kanada: "Den Deserteuren droht harte Bestrafung"

Interview mit Lee Zaslovsky

Ende April sprach Rudi Friedrich mit Lee Zaslofsky, dem Koordinator der War Resisters’ Support Campaign, einer Unterstützungskampagne für die nach Kanada geflohenen US-Deserteure. Er berichtet über die aktuelle Situation (d. Red.)

Wie viele US-Deserteure sind im Moment in Kanada?

Wir gehen aufgrund der Rückmeldungen von Anwälten und anderen davon aus, dass 200 bis 300 US-Deserteure hier sind. Genaue Zahlen haben wir allerdings nicht. Von der War Resisters’ Support Campaign aus arbeiten wir mit etwa 50 zusammen, die zumeist einen Asylantrag gestellt haben. Einige von ihnen sind erst vor Kurzem gekommen.

Wie stellt sich die Situation für US-Deserteure in Kanada derzeit dar?

Die größte Gefahr ist, dass sie in die USA zurückgeschickt werden. Es ist zwar nicht sicher, was passiert - einige, die in die USA zurückgingen, wurden ohne größere Probleme aus dem Militär entlassen - aber es besteht das Risiko, dass sie hart bestraft, ins Gefängnis gesteckt und unehrenhaft entlassen werden. Damit wären sie vorbestraft. Zudem kann es passieren, dass sie ihrer Einheit überstellt und in den Irakkrieg geschickt werden.

Bei den ersten Betroffenen in Kanada sind die Asylverfahren beendet oder stehen kurz vor dem Ende. Damit sind sie dazu verpflichtet, Kanada zu verlassen. Einer von ihnen ist z.B. Corey Glass, der am 21. Mai die endgültige Entscheidung erhalten wird. Wir hoffen, dass er in Kanada bleiben kann, aber es kann eben auch passieren, dass er aufgefordert wird, das Land zu verlassen. Wir arbeiten hart daran, alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und wir setzen unsere politischen Aktivitäten fort.

Von der War Resisters’ Support Campaign habt Ihr einen Antrag beim Parlament eingereicht. Was hat sich diesbezüglich getan?

Wir haben einen Antrag eingereicht, der besagt, dass es einen ständigen Aufenthalt für Deserteure geben soll, die nicht an einem Krieg teilnehmen wollen, der nicht von den Vereinten Nationen legitimiert wurde. Hintergrund dafür ist auch, dass Kanada die Beteiligung am Irakkrieg verweigert hat, weil er von den Vereinten Nationen nicht legitimiert wurde. Der parlamentarische Ausschuss für Bürgerschaft und Immigration hat den Antrag angenommen. Als nächstes könnte er dem Parlament vorgelegt werden.

Die kanadische Regierung ist konservativ und steht unterstützt US-Präsident Bush bei seiner Politik. Aber sie hat im Parlament keine Mehrheit. So wandten wir uns an die Oppositionsparteien. Zwei, die Neue Demokratische Partei und die Quebec-Partei stehen hinter uns. Damit haben wir insgesamt 79 von erforderlichen 156 Stimmen auf unserer Seite. Wir arbeiten deswegen daran, eine Unterstützung auch von der größten Oppositionspartei zu erhalten, den Liberalen. Einige ParlamentarierInnen reagierten sehr positiv auf unsere Initiative. Leider hat der Vorsitzende der Partei, Stephane Dion bisher jedes Gespräch verweigert. Auch wenn wir versuchen, so viele wie möglich aus der Partei zu gewinnen, wäre es doch einfacher, wenn die Führung der Liberalen dahinter steht. Dann wäre es für alle einfacher, für den Antrag zu stimmen.

Wir hoffen, dass der Antrag noch bis zur Sommerpause behandelt werden kann. Aber es kann auch sein, dass sich das alles bis zum Herbst hinzieht.

Warum wurden die US-Deserteure von den Flüchtlingsbehörden abgelehnt?

Die Behörden wollten nicht die Frage einbeziehen, ob der Irakkrieg legitimiert ist. Sie sagten ganz einfach, dass es für die Asylanträge nicht relevant ist. Wir klagten gegen die Entscheidungen und gingen bis vor das Bundesgericht, das diese Auffassung bislang allerdings bestätigte.

Welche weiteren Aktivitäten führt die War Resisters’ Support Campaign durch?

Für eine Petition an das kanadische Parlament haben wir bislang fast 50.000 Unterschriften gesammelt. Wir wollen sie über befreundete Parlamentarier dem Parlament präsentieren.

Zudem gibt es aus der ganzen Welt Interesse der Medien. Kürzlich gab es Artikel in der New York Times und der Washington Post. Auch im deutschen Fernsehen wurde darüber berichtet, was wir durch eMails erfahren haben, die uns nach der Ausstrahlung erreichten. Es gibt viele, die sich mit unserem Thema befassen und über die Kampagne berichten.

Das Buch von Joshua Key (Ich bin ein Deserteur) wurde inzwischen in etwa zehn Ländern veröffentlicht, was ebenfalls zur Verbreiterung beiträgt.

Darüber hinaus heißen wir neue Verweigerer willkommen. Wir beraten sie, bringen sie unter und kümmern uns darum, dass sie ein neues Leben in Kanada beginnen können.

Wie geht es Joshua Key und seiner Familie?

Er lebt in der Nähe von Toronto. Seine Kinder gehen zur Schule, was ganz gut funktioniert. Für ihn und Brandi gibt es eigentlich zwei Probleme. Zum eines ist nach wie vor unsicher, wie der Antrag auf Anerkennung als Flüchtling entschieden wird. Zum anderen hat Joshua Key zwar einen Job, aber für eine Familie mit vier Kinder ist es doch sehr wenig.

Wie können wir Euch von Deutschland aus unterstützen?

Eine Idee wäre, in Deutschland, der Schweiz oder Österreich mit den kanadischen Botschaften und Konsulaten Kontakt aufzunehmen, um Gespräche mit den Diplomaten zu führen. Das wird keinen wirklich großen Effekt haben, zeigt der kanadischen Regierung jedoch, dass es großes Interesse dazu auf der ganzen Welt gibt.

Es wäre auch sinnvoll, Schreiben an unseren Premierminister bzw. die Regierung zu senden, um darauf zu drängen, dass die US-Verweigerer in Kanada bleiben können. Das wird seine Position nicht ändern. Aber umso mehr Druck ausgeübt wird, umso schwieriger wird es für die Regierung, irgendetwas in ihrem Sinne zu drehen.

Möchtest Du noch etwas ergänzen?

Ich möchte für die Solidarität danken, von Connection e.V. und von so vielen Menschen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich.

Kontakt

War Resisters’ Support Campaign

Box 13, 427 Bloor Street West

Kanada - Toronto ON M5S 1X7

Tel.: 001-416-5981222

eMail: resisters(at)sympatico(Punkt)ca

http://www.resisters.ca

Interview mit Lee Zaslovsky, War Resisters’ Support Campaign, 25. April 2008. Abschrift, Übersetzung und Bearbeitung: Rudi Friedrich. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Mai 2008.

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