Betroffene starten Kampagne gegen Kopfgeldzwang in der Türkei

von Connection e.V.

Immer wieder melden sich türkische Wehrpflichtige, die inzwischen das 38. Lebensjahr erreicht haben, bei Connection e.V. Nach einer Regelung der Türkei wurden sie von den türkischen Behörden als Arbeitsmigranten im Ausland bis zu diesem Alter zurückgestellt. Sie haben einen Betrag von 5.112 € zu zahlen und dann noch einen dreiwöchigen Militärdienst abzuleisten. Dies wird allgemein als Freikaufsregelung gehandelt. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass diese Regelung nur türkische Staatsbürger in Anspruch nehmen können, die als Arbeitsmigranten dauerhaft im Ausland leben. Studenten und Asylsuchende sind von der Regelung ausgenommen.

Gürsel Yildirim macht in seinen Beiträgen zu recht darauf aufmerksam, dass die Zahlung dieses Betrages eine Unterstützung des Militärs in der Türkei darstellt. Er sieht die sogenannte Freikaufsregelung vielmehr als Kopfgelderpressung und startete vor wenigen Wochen eine Kampagne, die wir begrüßen und hier dokumentieren. Er war selbst von der Regelung betroffen, konnte aber nach mehreren Schwierigkeiten die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

Den Betroffenen war es in der Regel nicht möglich, rechtzeitig die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen – ein anderer Ausweg, um der Wehrpflicht in der Türkei zu entgehen. Da die Einbürgerung in Deutschland an Bedingungen geknüpft ist, die nicht alle erfüllen, weil sie z.B. Hartz-IV Empfänger sind, ist ihnen dieser Weg versperrt. Ansonsten hätten sie bis zum Alter von 38 Jahren die Einbürgerung beantragen können. Die Türkei würde sie ohne großen Aufhebens aus der Staatsbürgerschaft entlassen. Im Anschluss können sie den sogenannten „Rosa Schein“ erhalten, mit dem sie das Recht behalten, sich wieder in der Türkei anzusiedeln. Die Wehrpflicht in der Türkei wäre damit erloschen.

Da das Staatsangehörigkeitsgesetz der Türkei aber vorsieht, dass über eine Ausbürgerung das Ministerkomitee entscheidet, ist der Interpretation Tür und Tor geöffnet. So verlangen die türkischen Konsulate mit dem Alter von 38 Jahren von den Betroffenen, das Kopfgeld zu zahlen, bevor sie aus der Staatsbürgerschaft entlassen werden. Und wer nicht rechtzeitig kommt, zahlt mehr: Ab 38 Jahren erhöht sich die Summe auf 7.668 Euro. Wer älter als 40 ist, muss 10.000 Euro hinlegen.

Darüber hinaus gibt es für Doppelstaater auch die Möglichkeit, die Ableistung der Wehrpflicht in Deutschland, also z.B. die Ableistung des Zivildienstes, von der Türkei anerkennen zu lassen.

Im November 2007 schrieb Gürsel Yildirim mit Blick auf die bisher gelaufenen Aktivitäten: „Seit Mitte Mai 2007 sammelte ich Erfahrungen, die mir paradox erschienen: Während sich eine Handvoll engagierter Menschen, die von der Problematik nicht betroffen sind, solidarisch verhalten und mich unterstützen, schwiegen die meisten linken „Auslandstürken“. Die Betroffenen ärgern sich über die ganze Angelegenheit der Kopfgelderpressung. Jedoch scheint die Angst vor dem türkischen Militär tief in den Knochen zu sitzen. Ein Mix aus Ohnmacht, Befürchtungen über die bösen Sanktionen seitens der türkischen Behörden, Angst nicht mehr in die Türkei reisen zu können usw. macht es den Betroffenen schwer zu agieren. Es erscheint mir aber paradox, über die Revolutionspraxen der Vergangenheit und Zukunft zu plaudern und über ein Thema, das sie unmittelbar trifft, zu schweigen. Dabei müsste die Kopfgelderpressung für diejenigen türkischen Männer, die sich als oppositionell zum militaristischen System und den Herrschaftsverhältnissen in der Türkei verstehen, ein aktuelles Politikfeld sein. Ich werde weiterhin am Ball bleiben und versuchen, andere Mitstreiter anzusprechen. Im Endeffekt wünsche ich mir langfristig eine breite Kampagne.“

Wir würden uns freuen.

Kontakt: Gürsel Yildirim über eMail gegen_kopfgelderpressung(at)gmx(Punkt)de

Connection e.V. und AG "KDV im Krieg": Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2007

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