Tair Kaminer

Tair Kaminer

„Deshalb ist Eure Unterstützung so wichtig“

von Tair Kaminer

(17.04.2016) Die 19-jährige Kriegsdienstverweigerin Tair Kaminer ist vom israelischen Militär wiederholt zu Haftstrafen verurteilt worden. Seit dem 10. Januar 2016 war sie deshalb insgesamt 95 Tage im Gefängnis. Nach ihrer vierten Haftzeit konnten wir Mitte April mit ihr sprechen. (d. Red.)

Gerade wurdest Du aus der vierten Haftzeit entlassen. Wie nutzt Du Deine Zeit?

Ich habe wunderbare Tage zwischendurch, treffe Freunde, Familie. Es ist dieses Mal auch ein wenig länger als sonst, da wir Passahfest haben. Da ich jetzt zwei Wochen Zeit habe, bin ich auch politisch aktiv, nehme an Aktionen teil.

Wie ist es im Gefängnis?

Es ist nicht einfach. Es gibt strenge Disziplin und strenge Regeln. Wir müssen um 5 Uhr morgens aufstehen. Sie schreien uns die ganze Zeit an. Aber die meiste Zeit des Tagen machen wir nichts und sitzen in der Zelle. Dann lese ich viel und versuche Arabisch zu lernen.

Im Gefängnis treffe ich Mädchen aus ganz Israel, höre sehr heftige Geschichten. Es ist wirklich interessant. Das spannendste ist, dass ich für viele die erste Person bin, die der Linken angehört. Sie denken, dass Linke alle Juden hassen würden, Israel zerstören wollen, der Teufel selbst seien. Das hören sie von der Regierung und die meisten Leute denken es auch. Ich spreche mit ihnen, sage ihn, was ich denke und was wir verändern wollen. Und dann sagen sie: „Ja, ich verstehe, was du meinst. Ich bin mit vielem davon einverstanden.“ Das wiederum macht mich stärker, gibt mir Kraft für meinen Aufenthalt im Gefängnis.

Hast Du eine Idee, wie groß die Unterstützung für Dich ist?

Ich habe keine Idee, wie viele mich unterstützen, aber es gibt Unterstützung aus der ganzen Welt. Das gibt mir Kraft. Besonders wichtig sind mir die Briefe, die ich von arabischen Menschen aus der Westbank oder Gaza erhalten, in denen sie schreiben, wie wichtig ihnen meine Entscheidung ist. Das bewegt mich sehr. Zudem finde ich es sehr wichtig, dass deutlich wird, dass es aus Israel Aktionen für den Frieden gibt. Normalerweise ist ja nur das zu vernehmen, was die Regierung tut.

Wie reagiert die Bevölkerung in Israel auf Deine Entscheidung?

Wegen Facebook und anderen Plattformen nutzen viele Menschen die Möglichkeit, über meine Aktion zu diskutieren und auch meine Position zu kritisieren. Manchmal sind es ganz üble Kommentare. Aber ich denke, dass sie sich auf diese Weise auch damit auseinandersetzen. Da es seit einigen Monaten Terrorangriffe gibt, wird meine Aktion viel stärker wahrgenommen und es gibt wohl auch deutlich mehr Reaktionen. Für diese Menschen bedeutet die Armee Sicherheit. Aber auch ich spreche von Sicherheit und sage, dass es sicherer bei uns sein wird, wenn wir die derzeitige Situation, die aktuelle Realität, ändern. Es ist für manche Menschen irritierend, sich das anzuhören.

Wie reagieren die Medien auf Deine Aktion?

Es gab auch Berichte von ausländischen Medien, aus Russland, England, Frankreich, Spanien und Deutschland. Selbst das 1. TV-Programm aus Israel brachte etwas über mich - und zwar vor allem deswegen, weil es internationale Aufmerksamkeit über meinen Fall gibt.

Haben sich andere Deiner Kriegsdienstverweigerung angeschlossen?

Es gab einige Mädchen, die nicht zur Armee gehen wollten - und sich zunächst auf andere Art und Weise ausmustern lassen wollten. Aber dann hörten sie von mir und sahen, dass es die Möglichkeit gibt, mit der Verweigerung an die Öffentlichkeit zu gehen. So haben sich mir einige angeschlossen, aktuell Aiden Katri und Omri Baranes. Das ist natürlich toll, weil es uns und unsere Position stärkt. Ich hoffe ja, dass sich daraus eine neue Verweigerungswelle entwickelt. Für mich war das ja auch so: Ich hörte von anderen KriegsdienstverweigerInnen und setzte mich damit auseinander. Das war sehr wichtig, um für mich selbst eine Entscheidung zu treffen.

Wie wird es bei Dir weitergehen?

Ich werde wohl am 1. Mai erneut vom Militär verurteilt werden. Dann steht für mich die 5. Haftzeit an. Natürlich weiß ich nicht, wie lange es dieses Mal sein wird. Aber ich bin froh, dass ich nun nicht mehr alleine stehe, dass sich mir andere Verweigerinnen angeschlossen haben.

Möchtest Du den UnterstützerInnen etwas mitteilen?

Zunächst einmal möchte ich anmerken, dass die Tour, die ich im Herbst in Deutschland machen konnte, sehr wichtig war. Es war eine wichtige Erfahrung für mich und half mir sehr, meine Position zu festigen und deutlich machen zu können.

Und all denjenigen, die mich unterstützen, möchte ich sagen: Es gibt Israelis, die die Besatzung beenden wollen. Aber wir brauchen unbedingt internationale Unterstützung, um dies durchzusetzen. Wir müssen zusammenarbeiten, um dies zu erreichen. Deshalb ist Eure Unterstützung so wichtig.

Interview mit Tair Kaminer. 17. April 2016. Die Fragen stellte Rudi Friedrich. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Magazin »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2016

Stichworte:    ⇒ Israel   ⇒ Kriegsdienstverweigerung   ⇒ Tair Kaminer