Deutschlands „Krieg gegen den Terror“

von Tobias Pflüger

Die deutsche Beteiligung am Anti-Terror-Krieg ist vielfältig. Am deutlichsten wird der Zusammenhang bei der Operation Enduring Freedom (OEF) am Horn von Afrika, die eng mit dem „Krieg gegen den Terror“ verknüpft ist. Der Europaabgeordnete Tobias Pflüger beschreibt im folgenden, wie umfassend das deutsche militärische Engagement in diesem Zusammenhang tatsächlich ist. (d. Red.)

Die Operation Enduring Freedom ist die bis heute andauernde Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001, welche durch die NATO-Staaten als Bündnisfall, also als Angriff im Sinne der Beistandsverpflichtung der Artikels 5 des Nordatlantikvertrages gewertet wurden. Hervorzuheben ist, dass es sich um keine NATO-Operation handelt, sondern dass sie unter der Führung des US-amerikanischen Regionalkommandos USCENTCOM in Tampa/Florida steht.

Am 16. November 2001 stimmte der Bundestag mit Ausnahme der damaligen PDS-Fraktion dem Antrag der rot-grünen Bundesregierung für einen Einsatz deutscher bewaffneter Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf die Terroranschläge in den USA in fälschlicher Berufung auf Artikel 51 der UN-Charta und Artikel 4 des NATO-Vertrages zu. Der Einsatz beinhaltet die Entsendung von Truppen und Schiffen an das Horn von Afrika, sowie den geheim gehaltenen Einsatz von ca. 100 Soldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK). Zur Zeit ist die deutsche Marine mit der Fregatte Bremen und etwa 300 Soldatinnen und Soldaten an der OEF beteiligt. Als Stützpunkt für den Einsatz am Horn von Afrika dient der deutschen Marine der Hafen Djibouti. Die eingerichtete Marine Logistikbasis im Einsatzgebiet (MLBE) stellt die personelle und materielle Versorgung sicher. Interessant ist, dass der Bundestag für den Einsatz am Horn von Afrika die Bereitstellung von bis zu 3.900 Soldaten beschlossen hat, es also ohne nochmalige Debatte möglich wäre, das deutsche Kontingent kurzfristig massiv aufzustocken. Allein im Jahr 2006 war die Teilnahme an der OEF 12% teurer als geplant.1

Nun ist Deutschland mit der am 9. März 2007 vom Bundestag beschlossenen Entsendung der sechs Tornados nach Afghanistan endgültig und dauerhaft in den „Krieg gegen den Terror“ eingebunden und setzt die eigenen Figuren in Position, nicht nur am Hindukusch, wie es ja bereits Ex-Verteidigungsminister Peter Struck andeutete. Damit ist der endgültige Tabubruch vollzogen. Bislang hielt sich Deutschland - abgesehen von Einsätzen des Kommando Spezialkräfte - zumindest offiziell aus dem US-Einsatz zur „Terrorbekämpfung“ heraus. Denn die International Security Assistance Force (ISAF) der NATO in Afghanistan tarnt sich im Gegensatz zur OEF am Horn von Afrika gern als „Friedenseinsatz“ und „Stabilisierungsmission“ zur Entwicklungshilfe. Die ISAF-Führung ging bereits im August 2003 vom I. Deutsch/Niederländischen Korps an die NATO über.2

Dass zwischen dem ISAF-Einsatz der NATO-Staaten und der Operation Enduring Freedom nur formal eine Trennung herrsche, und für die afghanische Bevölkerung faktisch nicht bestehe, bestätigten auch hochrangige deutsche Militärs in direkten Gesprächen. Diese Sicht der Bevölkerung erklärt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass durch die ISAF nach eigenen Angaben im Jahr 2006 1.000 Zivilisten getötet wurden.3

Formal fällt die Terrorismusbekämpfung ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der OEF. Aber die Abgrenzung zum ISAF-Einsatz ist keineswegs klar. Der CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, erklärte dazu: „ Wir haben uns auch im ISAF-Mandat über das Ausmaß des Brunnenbauens hinaus engagiert. Dieses Mandat umfasst explizit die Bekämpfung von Aufständischen“4. Durch die sukzessive Ausdehnung der Zuständigkeit der NATO auf das ganze Land wird die Trennung beider Einsätze bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Dies trifft vor allem für den umkämpften Süden zu - aber nicht nur dort -, wo „Aufständische“ von „Terroristen“ schlicht nicht zu unterscheiden sein werden.

Deutschland als eigenständiger Akteur im „Krieg gegen den Terror“

Die Debatte um die Entsendung der Tornados entbrannte im Wesentlichen darüber, ob die gesammelten Aufklärungsdaten, auf deren Grundlage anschließende Bombardements erfolgen werden, ausschließlich der NATO-ISAF-Mission oder eben auch der OEF zur Verfügung gestellt werden und inwieweit dies mit der formalen Trennung beider Missionen zu vereinbaren sei.

Der Bundestags-Antrag5 lässt genügend Spielraum, um sich hierdurch aktiv am OEF-Einsatz zu beteiligen. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, „dass die Informationen, die die Aufklärungsflüge der Tornados bringen, auch zur Vorbereitung von Kampfeinsätzen im Rahmen der Operation Enduring Freedom herangezogen werden?“ antwortete Verteidigungsminister Franz-Josef Jung: „Ich kann das nicht ausschließen, und ich will es auch nicht ausschließen. Eines muss klar sein: Auch die Terrorismusbekämpfung ist ein zentraler Aspekt.“6 Der Tornado-Einsatz dient also direkt der Unterstützung von Bombenangriffen, und zwar nicht nur zur Aufstandsbekämpfung im Rahmen des ISAF-Mandats, sondern auch für den US-Terrorkrieg unter OEF-Flagge.

Da vorgesehen ist, das bis zum 13. Oktober befristete Tornado-Mandat anschließend mit dem ISAF-Mandat zu verschmelzen, dessen Verlängerung im Bundestag zu diesem Zeitpunkt ansteht, wird sich Deutschland so zu einem eigenständigen Akteur im „Krieg gegen den Terror“ mausern, wie der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Bernhard Gertz unmissverständlich klar macht: „Das ist ein Dauerprojekt, da wird man Bestandteil des militärischen Kampfes gegen die Terroristen wie Taliban und al-Qaida.“7

Unterstützung von Kriegsverbrechen

Dass die USA im Rahmen der OEF schon einmal Fünf gerade sein lassen, wenn es um den Schutz der Zivilbevölkerung geht, ist mehr als bekannt. Auf der Terroristenjagd wird auch mal eine Hochzeitsgesellschaft bombardiert. Mit der Entsendung der Tornados macht sich Deutschland hierbei unweigerlich zum Mittäter. Der General a.D. Walter Jertz, bis vor kurzem noch Chef des Luftwaffenführungskommandos, bestätigte, dass „das Liefern von Fotos der Aufklärungstornados im Süden von Afghanistan dazu führen kann, dass Kampfhandlungen durchgeführt werden. Und das kann auch bedeuten, dass Zivilisten zu Schaden kommen.“8 Bundeswehrverbandschef Gertz sieht das immerhin als ein Problem an: „Was die Verbündeten gemacht haben, ist nicht hinnehmbar. Da wurden mit Bomben aus der Luft angebliche Ziele bekämpft und in nicht tolerablen Ausmaß Unschuldige getroffen."9

Wenn Deutschland hierfür mit den Tornado-Aufklärungsflügen Zuarbeit leistet, handelt es sich um ein Kriegsverbrechen. Das von Deutschland unterzeichnete Statut des Internationalen Gerichtshofes (Artikel 8,2b,iv) verbietet eindeutig ein „vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen“.

Der frühere parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium und CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer sieht diesen Tatbestand als erfüllt an: „Die deutschen Piloten, die mit diesen Flugzeugen die Dörfer ausfindig machen, die anschließend von den Amerikanern zerstört werden, sind damit auf dem direkten Flug nach Den Haag. Wenn man - im Sinne der vielzitierten Kollateralschäden - Menschen aus der Luft bekämpft, fliegt jeder Pilot direkt in die Kriegsverbrechen hinein.“10

Die Bundeswehr in Usbekistan - Deal mit einem Diktator11

Die Hauptschlagader des deutschen ISAF-Kontingents in Kabul und Kunduz läuft über den Flugplatz der 114.000-Einwohner-Stadt Termez im südlichsten Zipfel von Usbekistan. Sie heißt im Bundeswehr-Amtsdeutsch offiziell „Einsatzgeschwader Termez“. Über den früheren „Lufttransportstützpunkt“ wird der gesamte Nachschub nach Afghanistan organisiert.

Allerdings herrscht in Usbekistan eine Diktatur unter Präsident Islam Karimow. Am 13.5.05 metzelten „Sicherheitskräfte“ im Massaker von Andischan mindestens 500 Menschen nieder, wenn nicht mehr. Seither sind die Beziehungen zwischen westlichen Staaten und der Diktatur in Usbekistan offiziell gestört. Die Regierungen der USA und der EU forderten eine, von Usbekistan abgelehnte, unabhängige internationale Untersuchungskommission. Die USA mussten daraufhin ihre Militärbasis Chanabad in Usbekistan räumen, Russland und Usbekistan unterzeichneten einen neuen Freundschaftsvertrag, der vorsieht, dass im Falle einer Destabilisierung Russland Truppen in das Land schicken kann.

Trotz Widerstand der deutschen Regierung wurden am 14.12.05 vom Rat der Europäischen Union Sanktionen gegen Usbekistan beschlossen, die technische und finanzielle Hilfen an Usbekistan im Zusammenhang mit militärischen Aktivitäten untersagen.

Der Verteidigungsstaatssekretär Friedbert Pflüger (CDU) machte allerdings mit der Regierung unter Präsident Karimow einen für die NATO und die Bundeswehr zentralen Deal: Trotz der gegen das usbekische Regime verhängten EU-Sanktionen darf die Bundeswehr den Stützpunkt Termez weiter nutzen, und somit auch alle anderen NATO-Staaten.

Bei dem Deal wurde auch vereinbart, den „Dialog in Bezug auf internationale Terrorismusbekämpfung, Wirtschaftsbeziehungen sowie Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit zu beleben“. Außerdem wolle die Bundesregierung, so Pflüger, die Sichtweise Karimows zum Massaker in Andischan in der EU „fair“ berücksichtigen.

Deutschland vergibt an Usbekistan umfangreiche Militärhilfe, zuletzt wurde Sanitätsmaterial aus Beständen der Bundeswehr in Höhe von 280.000 e an Usbekistan verschenkt. Sie sei „Ausdruck der guten Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Usbekistan auf militärischem Gebiet“, so der deutsche Botschafter Joachim Kinderlen.

Die Bundeswehr-Homepage sagt es klar: „Gäbe es die Nachschub-Basis der Bundeswehr im usbekischen Termez nicht, dann könnten die deutschen Soldaten in Afghanistan in kürzester Zeit einpacken.“12

Das KSK übt für Afghanistan: „kurz gucken, eliminieren!“13

Eine besondere Rolle im Anti-Terror-Krieg kommt dem Kommando Spezialkräfte (KSK) aus dem schwäbischen Calw zu. Für Schlagzeilen sorgte diese Spezialtruppe der Bundeswehr in jüngster Vergangenheit immer wieder: Ob nun das Posieren mit Totenschädeln, das Aufbringen von Wehrmachtssymbolen an den eigenen Fahrzeugen oder die Foltervorwürfe durch den ehemaligen Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz. Aktuell läuft im Fall Kurnaz gegen zwei Soldaten des KSK ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Tübingens. Diese in der Öffentlichkeit breit diskutieren Vorfälle haben trotzdem nichts daran ändern können, dass das KSK weiterhin an den Parlamenten vorbei eingesetzt wird und faktisch eine Armee der Exekutive ist.

Gegenüber dem Stern (7.7.2005) berichteten die in Afghanistan stationierten KSK-Soldaten, dass der Einsatz in Afghanistan „aufs Ausschalten von Hochwertzielen im Drogengeschäft hinaus läuft.“ Es sind gezielte Tötungen von vermutlichen Drogenhändlern: „Wir sollen die Drahtzieher ausschalten, eliminieren.“ Seit Mai 2005 ist bekannt, daß KSK-Kommandos bei ihrem Einsatz im Südosten Afghanistans in begrenztem Umfang über direkte Kampfhandlungen (direct action) selbst entscheiden können.

Trainiert wurde der Einsatz im KSK-Ausbildungslager in Calw. Zur Ausrichtung der trainierten „direct action“ urteilte einer der KSK-Soldaten gegenüber dem Stern: „und zwar die dreckigen Varianten: Mehrere Trupps landen verdeckt, überfallen mit großer Feuerkraft den Feind - kurz gucken, eliminieren.“ Bundeswehrsoldaten üben Attentate, neudeutsch „Assassinationen“ - und führen diese wahrscheinlich auch durch.

Das Töten auf puren Verdacht, in der Regel wohl auf Denunziation und Gerüchte hin, widerspricht nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch dem internationalen Recht der Genfer Konvention (Artikel 3).

Der Schutz vor willkürlichen Hinrichtungen gilt übrigens völlig unabhängig davon, ob es sich um mutmaßliche Drogenkriminelle oder um mutmaßliche Terroristen handelt. Da allerdings der Kampf gegen Drogenkriminalität nicht vom Mandat des Bundestags gedeckt ist, scheint sich die Praxis einzuspielen, Drogenhandel mit Terrorismus gleichzusetzen.

Folterflüge und geheime Militärgefängnisse

Die Bundesregierung trug ein hohes Maß an Mitverantwortung für die CIA-Folterflüge. Das ist der Befund des am 14. Februar 2007 im Europäischen Parlament verabschiedeten Berichts des CIA-Untersuchungsausschuss. Das Parlament kommt zu dem Schluss, dass „nach Informationen des Rechtsanwalts von Murat Kurnaz und Informationen der deutschen Behörden zufolge im Jahre 2002 Aussicht auf eine Freilassung von Murat Kurnaz aus Guantánamo bestand, dass diese aber von den deutschen Behörden nicht akzeptiert wurde“ und dass „dem Rechtsanwalt von Murat Kurnaz seit 2002 bei zahlreichen Gelegenheiten von der deutschen Regierung gesagt worden war, es sei unmöglich, Verhandlungen mit der US-Regierung in Bezug auf dessen Freilassung aufzunehmen, weil Murat Kurnaz türkischer Staatsbürger sei“, obwohl „alle Ermittlungen bereits Ende Oktober 2002 ergeben haben, dass Murat Kurnaz keine terroristische Bedrohung darstellt“. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen bin ich mir einig, dass dieses üble Fehlverhalten von Vertreterinnen und Vertretern der früheren rot-grünen Bundesregierung aufgeklärt werden muss. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sollte die Öffentlichkeit nicht noch länger an der Nase herumführen. Der ehemalige deutsche Geheimdienstkoordinator muss endlich Verantwortung für die damaligen Vorgänge übernehmen.

Schon der Zwischenbericht des Schweizer Europaratsmitglieds Dick Marty über geheime CIA-Gefängnisse in den EU-Staaten wies deutlich auf die Existenz von geheimen Gefängnissen und Verhörzentren in Europa hin. Zudem wird klar, dass es eine Struktur für Folterflüge in Europa gab und dass hierbei den Militärstützpunkten der USA und der NATO eine entscheidende Bedeutung zukommt. Erschreckend ist vor allem, mit welcher Systematik hier vorgegangen wurde. Alles weist darauf hin, dass das „Outsourcing“ von Folter und Quälerei von Gefangenen Methode hatte und mit Wissen und Duldung von EU-Regierungen erfolgte. Jetzt sollte nicht nur Aufklärung das politische Ziel sein, sondern die Abschaffung der militärischen Infrastruktur, die dieses System erst ermöglichte. Die Schließung der Militärbasen, die für illegale Verhörzentren, Gefängnisse und Folterflüge genutzt wurden, muss von daher endlich auf die Tagesordnung in Europa.14

EUCOM: europäische Kommandozentrale der US-Streitkräfte

Das US-European Command (EUCOM) ist zuständig für Europa, Afrika und dem Nahen Osten. Der Kommandobereich umfasst 33,7 Millionen Quadratkilometer und damit 83 Länder.

Welche rechtliche Grundlage gibt es überhaupt dafür? Die zentralen Grundlagen für die Stationierung von Truppen anderer Länder in Deutschland sind das NATO-Truppenstatut (NTS) und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS). Das NATO-Truppenstatut von 195115 gilt in Deutschland für die Truppen Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas, der Niederlande und der USA. Es gilt nur in den alten, nicht in den neuen Bundesländern. Wichtiger ist jedoch das Zusatzabkommen von 195916. Dort werden die Rechte und Pflichten „der Truppe, des zivilen Gefolges und aller Angehöriger“ der ausländischen Truppen geregelt. Das gilt insbesondere auch für militärische Übungen und Manöver sowie für Steuerprivilegien(!).

Bis 1994 war laut dem Zusatzabkommen den in Deutschland im Rahmen der NATO stationierten US-Truppen eine sehr weitgehende Bewegungsfreiheit im deutschen Luftraum eingeräumt worden. Sie waren nach Art. 57 berechtigt, mit Luftfahrzeugen „die Grenzen der Bundesrepublik zu überqueren sowie sich in und über dem Bundesgebiet zu bewegen“. In der seit 1994 gültigen Überarbeitung wurde dies geändert. Seitdem benötigen die in Deutschland stationierten Truppen aller oben genannten Länder nach Art. 57 ZA-NTS grundsätzlich eine Genehmigung durch die Bundesregierung, „wenn sie mit Land-, Wasser- oder Luftfahrzeugen“ in die Bundesrepublik „einreisen oder sich in und über dem Bundesgebiet bewegen“ wollen.17

Das gilt ebenfalls für alle Militärstandorte, also auch für die britischen und US-amerikanischen. Vertraglich geregelt wurde, dass die Standorte „zur ausschließlichen Benutzung überlassen“ worden sind und diese nach Art. 53 ZA-NTS „die zur Erfüllung ihrer Verteidigungspflichten erforderlichen Maßnahmen treffen“ dürfen. Interessant dabei ist die Formulierung „Verteidigungspflichten“. Dies traf beispielsweise explizit nicht auf den völkerrechtswidrigen Irakkrieg zu. Dabei wurde vom EUCOM der gesamte Kriegsnachschub koordiniert. Die zentralen Transporte liefen über die Rhein-Main Airbase in Frankfurt sowie die Airbases Ramstein und Spangdahlem, die damit offensichtlich zentral für den Aufmarsch in die Golfregion gewesen sind.18 Insofern wurde auch durch das EUCOM explizit das Grundgesetz und das Völkerrecht gebrochen.

Johannes Heinen, Regierungsdirektor an der Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik, Mannheim weist darauf hin, dass sich Angehörige verbündeter Streitkräfte nicht über die grundlegenden Rechtssätze des Aufnahmestaates hinwegsetzen dürfen: „Voraussetzungen, Umfang und Grenzen des Handelns von Angehörigen der verbündeten Streitkräfte ergeben sich dabei aus dem deutschen Recht. Die Befugnisse gelten sowohl innerhalb als auch außerhalb verbündeter Liegenschaften. Innerhalb ihrer Liegenschaften stehen den verbündeten Streitkräften weitere Befugnisse zu. Nach Art. VII Abs. 10a NTS haben sie dort die ‚Polizeigewalt’. (...) Die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit/Ordnung dürfen nur innerhalb der Liegenschaft ergriffen werden. Damit scheiden Maßnahmen der Vorfeldsicherung (z.B. Kontrollen außerhalb der Liegenschaft) oder der polizeilichen Nacheile aus.“19

Politisch gesehen ist das EUCOM also formal an deutsche Gesetze gebunden. Das Problem ist, dass die deutsche Seite wie beim Irakkrieg kein Interesse daran hat, z.B. die Regelung des Grundgesetzes in Artikel 26.1. durch- und umzusetzen: Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges.

Die US-Regierung hat auch bestätigt, dass das EUCOM den Transport von Terrorverdächtigen ins Gefangenenlager Guantánamo geplant hat. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion heißt es im Falle des Transports von sechs algerischen Terrorverdächtigen, es lägen ihr keine Informationen zu einer Beteiligung des EUCOM vor. Die US-Armee sagt jedoch selbst, die Bundesregierung sei darüber informiert gewesen.20 Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international forderte gegenüber Report Mainz Konsequenzen: Die deutsche Regierung müsse Liegenschaften der US-Armee untersuchen dürfen, wenn sie vermute, dass dort Menschenrechtsverletzungen durchgeführt oder vorbereitet würden.21

Bundeswehr Teil des Anti-Terror-Krieges

Die NATO begann am 6. März mit 5.500 Soldaten ihre angekündigte Frühjahrsoffensive Operation Achilles in Afghanistan in der Provinz Helmand. Es sei der größte Bodenkrieg, den die NATO jemals führte, so ein NATO-General. Was die NATO in Afghanistan betreibt ist eine „Irakisierung“ des Landes, immer mehr Zivilisten werden umgebracht.

Deutschland spielt dabei eine Schlüsselrolle, nun auch mit Tornado-Kampfflugzeugen, die offiziell nur Aufklärer, tatsächlich aber „Angriffshelfer“ (Tagesschau) sind. Die Operation Enduring Freedom (OEF), der so genannte „Krieg gegen den Terror“ und die NATO-Truppe ISAF werden immer mehr vermischt. ISAF wandelt sich, so die Tageschau, „von der Schutztruppe zur Kampftruppe“.

157 Bundestagsabgeordnete, soviel wie noch nie, stimmten gegen den Einsatz der Tornados. Das hat auch damit zu tun, dass 77% der Bevölkerung gegen diesen Einsatz sind, und viele sich bei den MdBs gemeldet haben. Die Linksfraktion klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Einsatz. Die Bundesregierung ist im doppelten Sinne gegen die Bevölkerung im Krieg. Gegen die Meinung der Bevölkerung hier und direkt im Krieg gegen die Bevölkerung in Afghanistan.

Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass sich mein Freund Oberstleutnant Jürgen Rose weigert, Zuarbeiten zum Tornado-Einsatz zu leisten. Es bedarf mehr solcher „Angriffskriegsverweigerer“ in der Bundeswehr wie Jürgen Rose und Florian Pfaff!

Wir als Friedensbewegung sind genau jetzt gefragt, weiter Druck zu machen: Wir müssen unsere Kampagne für den Rückzug der Truppen verstärken. „Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr, angefangen mit Afghanistan! Keine deutsche Kriegsunterstützung!“ Und wir sollten wieder verstärkt zur Kriegsdienstverweigerung und Desertion aufrufen.

Fußnoten

1. Vgl. Haydt, C.: Teurer als geplant - Auslandseinsätze der Bundeswehr, IMI-Standpunkt 2007/034

2. Diego A. Ruiz Palmer: Der Weg nach Kabul. In: NATO-Brief, Sommer 2003

3. Human Rights Watch: Pressemitteilung, 6.03.2007

4. Spiegel Online vom 31.1.07

5. Drucksache 16/4298

6. Die Welt, 4.2.2007, zitiert nach: Wagner, J.: „Das wäre ein großartiger Beitrag“ - Deutschlands Tornadoeinsatz in Afghanistan, IMI-Analyse 2007/02

7. Spiegel Online, 27.1.07, zitiert nach: Wagner, J. aaO

8. Kontraste vom 15.2.2007

9. www.tagesschau.de 20.1.2007

10. Spiegel Online, 27.1.07, zitiert nach: Wagner, J. aaO

11. Aus: Pflüger, T.: Kennen Sie Usbekistan? - Neues vom deutschen Militäreinsatz in Afghanistan; in: SoZ 01/2006 (www.soz-plus.de)

12. www.bundeswehr.de

13. Vgl. hierzu: Haydt, C.: IMI-Analyse 2005/020b - in: Junge Welt vom 29.08.05: Lizenz zum Töten

14. Aus: Pflüger, T.: Presseinformation 2007/004, Strasbourg, 14. Februar 2007; Pflüger, T.: Pressemitteilung 2006/008, Brüssel/Caracas, 24.01.2006

15. BGBl. 1961 II 1190

16. BGBl 1961 II 1218; 1973 II 1022; 1994 II 2594

17. Zitiert nach: Dieter Deiseroth: Zur geltenden Rechtslage - US-Stützpunkte in Deutschland im Irak-Krieg; in Wissenschaft und Frieden 1/2003

18. Ausführlicher dazu siehe: Tobias Pflüger: Zwiespältiges - Die deutsche Rolle im Irakkrieg; in: Wissenschaft und Frieden 02/2003

19. zit. nach Johannes Heinen: Absicherung von Liegenschaften und Transporten der verbündeten Streitkräfte in Deutschland, Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik, Mannheim, 12.02.03

20. zitiert nach: http://www.netzeitung.de/spezial/kampfgegenterror/476924.html

21. vgl. www.tagesschau.de vom 26.11.2006

Tobias Pflüger: Deutschlands „Krieg gegen den Terror“, Mai 2007. Dieser Beitrag erschien in: Connection e.V. (Hrsg.): Broschüre "USA: Stimmen gegen den Krieg", Offenbach/M., Mai 2007, 40 Seiten A 4. Wir bedanken uns für die finanzielle Förderung durch die Bertha-von-Suttner Stiftung und das Pfarramt für Friedensarbeit der ev. Kirche Hessen-Nassau.

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