USA/Deutschland: Gazebo

Gespräche mit GIs in Ansbach

von Darnell Stephen Summers

Darnell Stephen Summers ist Vietnamveteran und aktiv bei Stop The War Brigade (STWB). Die Gruppe ruft Soldaten dazu auf, „zu verweigern, Widerstand zu leisten und zu rebellieren“. In seinem Beitrag beschreibt er, wie er am Rande des Ostermarsches in Ansbach Kontakt mit US-Soldaten (GIs) aufgenommen und sie auf das von ihm ausgehändigte Antikriegsmaterial reagiert haben. (d. Red.)

Ostern 2007 sprach ich in der Stadt Ansbach. Sie hat 40.000 Einwohner und zusätzlich ein paar tausend GIs. Diese werden wieder und wieder im Kriegsgebiet eingesetzt. Glaubt mir, das fordert seinen Tribut.

Die lokale Bevölkerung ist wegen der geplanten Erweiterung des Militärstützpunktes auf den Barrikaden. Das Pentagon hat quasi die ganze Stadt eingenommen. Das alles sieht aus, wie in einem schlechten Western mit John Wayne. Die USA hat alle Politiker der Region in ihrer Westentasche. Ja, es ist ein wundervolles „setup“, bis auf eine Kleinigkeit.

Einige Leute in der Region haben den Willen sich zu organisieren. Dies ist allem Anschein nach der Beginn eines dauerhaften und langwierigen Kampfes. Sie brauchen Unterstützung. Unsere Unterstützung und ich meine dies im weitest möglichen Sinne.

Viele Bewohner von Ansbach fangen an zu begreifen, dass ihre kleine Stadt bei dem Leid der irakischen Bevölkerung eine große Rolle spielt.

Es gibt einen direkten Zusammenhang, der nicht geleugnet werden kann. Die lokalen Politiker, mit Unterstützung der Bundesregierung, verfolgen die schwachsinnige Linie, dass die Stadt ökonomisch davon profitieren kann, wenn die US-Armee mehr Apache-Helicopters stationiert und Bauern von ihrem Land vertreibt um Platz für ihre Kriegsspiele zu haben.

Was für eine Ironie? Sie taufen ihre Todesmaschinen nach einem von ihnen dezimierten Indianerstamm und dann nehmen sie der ansässigen Bevölkerung ihr Land weg mit dem Versprechen, dass bessere Tage kommen werden. Aber es kommt noch besser.

Ich kam einige Tage vor dem Ostermarsch an. Ich besuchte einige der GI-Bars. Die erste Nacht hörte ich viele betrunkene Späße, aber in der zweiten Nacht, die Nacht vor dem Ostermarsch, wurde es sehr interessant.

Ich ging mit einigen Aktivisten des Ansbacher Friedensbündnisses in ein Lokal namens Gazebo - eine verqualmte Bar mit einigen Billardtischen und einer Menge junger GIs. Alle Spieltische war besetzt. Nun, ich kann ein bisschen spielen, aber ich bin bei weitem kein Profi. Ich habe aber auch ein paar Tricks auf Lager. Keine Angeberei, nur Tatsache, wie Walter Brennan sagen würde.

Verdammt, jetzt würde ich sagen, dass alle Queues krumm waren. Das ist kein Scherz. Ich sah meine Chance, an einige der GIs ranzukommen indem ich mit einem ein Spiel machte. Eins war grade zu Ende, ich trat an den Tisch und fragte, ob ich das nächste Spiel machen könnte. „Sicher, warum nicht“, antwortete der junge Soldat.

Er legte die Kugeln zurecht und ich durfte anstoßen. Ich spielte wahrscheinlich das schlechteste Spiel meines Lebens, aber ich gewann zwei von drei Spielen. Er war betrunken und hatte zumindest eine Entschuldigung für sein schlechtes Spiel. Ich versuchte auf jeden Fall, diesen betrunkenen Soldaten zu schlagen. Jeder im Raum erwartete von mir, besser zu spielen. Ich imponierte ihnen, mit meinen 87 kg und meinen langen fliegenden Rastalocken. Ich hätte ihr 1. Sergeant sein können. Ich bemerkte, wie einige unser Spiel aus den Augenwinkeln beobachteten. Ich hatte einige gute Treffer. Die Spannung ließ nach und ich beobachtete die anderen GIs, während mein Gegner mit einer jungen Frau am Ende des Billardtisches redete, wenn er nicht an der Reihe war. Das Hundeleben eines jungen Soldaten, ich musste grinsen. Es war ein Déjà vu für mich.

Ich hatte einen Rucksack voller „CD-Roms“ von uns dabei und die jetzt berühmten DVDs mit dem Film „Sir, No Sir“. Der zweifache Faustschlag: Wer würde das erste Geschenk bekommen? Plötzlich saß er da: Er saß alleine an einem dieser hohen Tische und träumte vor sich hin, so schien es. Ich gab ihm sein „Paket“. Plötzlich verschwand er, ich wusste nicht wohin. Ich sage den Soldaten immer, was sie auf diesen CDs und DVDs sehen, wird sie erstaunen und schockieren. Ein bisschen später kam einer der deutschen Aktivisten auf mich zu und sagte: „Erinnerst du dich an den weißen GI mit den schwarzen Haaren, dem du die DVD und CD gegeben hast?“ „Ja“, antwortete ich. Nun, es schien, dass dieser GI zur Toilette gegangen war, um unbeobachtet einen Blick auf das zu werfen, was ich ihm gegeben hatte. Mein deutscher Freund war ihm zur Toilette gefolgt um mit ihm zu reden. Er sah ihn dort stehen, die Titel auf der „Sir, No Sir“ DVD lesen und weinen. Welchen Nerv hatten wir da getroffen. Welche Dämon wurden plötzlich geweckt. Es muss eine bewegende Szene gewesen sein.

Diese Arschlöcher im Weißen Haus und Pentagon schicken tatsächlich „Babys“ in den Krieg. Ich sage dies nicht aus Respektlosigkeit, aber es ist eine verdammte Lüge, dass der Krieg Jungs und Mädchen zu Männern und Frauen macht. Er zerstört sie und alles in ihrem Umfeld.

Zwei Tage vor der Demo ging ich in Ansbach zu Mc Donalds und sprach mit einigen jungen Soldaten. Sie saßen da und aßen den Fraß, den „Mickey D“ Essen nennt. Ich vermute, dass sie dort hauptsächlich wegen der sozialen Kontakte waren und um dort zu sitzen und die jungen Frauen zu beobachten, die in kleinen Gruppen aus und ein gingen. Sie waren zu viert, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Hin und wieder redeten sie miteinander. Sie sprachen über ziemlich unwichtige Dinge. Es ist nicht unbedingt meine Art die Soldaten zu provozieren, aber ich wollte losschreien. Ich ging auf sie zu, schüttelte ihre Hände und fragte sie nach ihrem eigenartigen Rekruten-Haarschnitt. Ich dachte sie hätten gerade die Grundausbildung absolviert, aber so war es nicht. Sie waren seit fast einem Jahr beim Militär und reguläre Soldaten, aber es hat einen Befehl gegeben, der diese lächerlichen Haarschnitte jetzt zur Pflicht macht; sie sind jetzt Standard. Sie müssen alle herausgeputzt aussehen, wenn sie in den Krieg und in eine ungewisse Zukunft aufbrechen.

Während unserer Unterhaltung waren sie sehr nervös und schauten sich um, ob jemand sie beobachten würde. Die Tatsache, dass sie wussten, dass ich ein Vietnamveteran bin, hatte eine fast magische Wirkung auf sie. Es schien, als wären sie überwältigt von meiner Anwesenheit und meiner Erfahrung. Sie wussten, dass ich schon erlebt hatte, was jetzt vor ihnen liegt. Einer der jungen Soldaten schaute mich an und sagte: „Ich bin nicht zur Armee gegangen um in diesen Krieg zu gehen“ und sein Kopf sank nach unten in seinen Hamburger. Es war seine Art, mir und seinen Kameraden am Tisch auf subtile Weise seine Opposition zu zeigen. Sein Gesichtsausdruck war so traurig.

Am nächsten Tag waren wir im Stadtzentrum. Die Aktivisten hatten einen Büchertisch aufgebaut und forderten die Leute auf, einen Appell gegen die Erweiterung des Stützpunktes direkt vor ihrer Stadt zu unterzeichnen. Viele Passanten unterschrieben diesen Appell und diskutierten lebhaft über die beabsichtigte Erweiterung und die Stationierung von noch mehr Apache-Hubschraubern. Es kamen auch einige GIs vorbei, mit denen wir gut diskutierten. Wie sie es beschrieben, gibt es unter den Truppen einen generellen Unwillen zu gehen. Ich kenne das ganz gut, aus meiner eigenen Erfahrung.

Eine andere Soldatin hat mir gesagt, dass in ihrer Einheit wirklich schlechte Stimmung herrscht und die Situation am Kippen ist. Soldaten der Einheit ließen wissen, dass sie ihren Vorgesetzten nicht vertrauen und mit ihnen eigentlich nirgendwo hingehen wollten. Sie sagte wörtlich: „Sie (die Vorgesetzten) kümmern sich nur um sich selbst.“ Du musst nur eins und eins zusammenzählen um dir auszumalen, was mit dieser brodelnden Situation innerhalb der 12th Combat Aviation Brigade als nächstes passieren kann.

Diesen Krieg auch nur einen weiteren Tag zuzulassen, ist ein Verbrechen erster Klasse. Diese Politiker sind die Zuhälter der Armut. Wo war die Empörung, als ein 14-jähriges irakisches Mädchen von einer Gruppe geistedkranker GIs mehrfach vergewaltigt, ihr Körper bis zur Unkenntlichkeit entstellt und ihre Familie liquidiert wurde, weil sie Zeugen waren. Einige GIs vergewaltigen sogar Frauen in ihren eigenen Reihen. Vergewaltigung und Kindesmisshandlung sah ich während meiner Zeit in Vietnam fast täglich. Habt ihr mich verstanden? Frauen leiden enorm unter dem Deckmantel des Krieges.

Sie haben die Zeit des Kriegseinsatzes verlängert. Die Wahrscheinlichkeit, verletzt oder getötet zu werden, hat sich dadurch enorm erhöht. Dieser Regierung ist es einfach egal und das war schon immer so. Wir müssen aufwachen und das endlich begreifen.

Die Truppen, die in Ansbach stationiert sind, werden jetzt auf ihren Einsatz vorbereitet. Die meisten Soldaten haben wegen ihrer Kriegserfahrungen und der Erwartung, diesen Alptraum noch einmal zu durchleben, schreckliche Angst. Sie werden in Kürze gezwungen sein, auszurücken. Sie brauchen in diesem entscheidenden Moment ihres Lebens unsere Unterstützung und Führung. Vielleicht wird es für uns möglich sein, weit mehr als nur ein paar Leben zu retten. Das ist die Aufgabe, die vor uns liegt.

Kontakt

Stop The War Brigade AI

www.stopthewarbrigade.com

Darnell Stephen Summers: Bericht von Begegnungen mit GIs, Ostern 2007 in Ansbach. Dieser Beitrag erschien in: Connection e.V. (Hrsg.): Broschüre "USA: Stimmen gegen den Krieg", Offenbach/M., Mai 2007, 40 Seiten A 4. Wir bedanken uns für die finanzielle Förderung durch die Bertha-von-Suttner Stiftung und das Pfarramt für Friedensarbeit der ev. Kirche Hessen-Nassau.

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