Agustín Aguayo

Agustín Aguayo

Schreiben an die deutsche Bundesregierung

Wir bitten Sie, den Fall Aguayo zu untersuchen

von Friedensgruppen aus Deutschland

(28.02.2007) 28. Februar 2007

 

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

seit einiger Zeit beunruhigen Menschenrechtsverletzungen, die auf deutschem und europäischem Boden durch die USA begangen werden, die deutsche Öffentlichkeit, so CIA-Flüge bzw. -Entführungen und die vermutliche Nutzung des US-Militär-Gefängnisses in Mannheim für Verhöre arabischer Gefangener. Untersuchungsausschüsse des Europäischen Parlaments und des Deutschen Bundestages beschäftigen sich bereits mit einigen dieser beunruhigenden Vorgänge, doch diese Untersuchungen sollten ausgeweitet werden.

Wir möchten Ihnen von einem Fall berichten, der in diesem Zusammenhang unbedingt untersucht werden müsste.

Agustín Aguayo (35), mexikanisch-amerikanischer Rettungssanitäter aus Los Angeles und Vater von zwei Töchtern ist seit Sommer 2003 bei der 1. Infanterie-Division der US-Armee in Schweinfurt stationiert und wohnte dort mit seiner Familie. Seit Oktober 2006 sitzt er im US-Militär-Gefängnis Mannheim, weil er sich weigerte, sich ein zweites Mal zu einem Einsatz in den Irak schicken zu lassen.

Seit annähernd drei Jahren bemüht sich Aguayo darum, als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt zu werden, wie es das US-amerikanische Recht als Möglichkeit vorsieht. Während seines einjährigen Einsatzes in seiner Eigenschaft als Sanitäter im Irak, 2004/05, musste er entgegen seinen Überzeugungen eine Waffe tragen. Seinem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist bisher nicht stattgegeben worden. Vielmehr wurde der Dienstvertrag von Herrn Aguayo, wie es häufig auch bei anderen in Deutschland stationierten US-Soldaten geschieht, einseitig gegen seinen Willen über die ursprünglich vereinbarte Zeit hinaus verlängert.

Am 2. September 2006 wurde Aguayos Einheit nach Bagdad verlegt. Entsprechend seiner Ankündigung verweigerte er sich diesem Einsatz und stellte sich stattdessen der US-Militärpolizei in Schweinfurt, darauf gefasst, ins Gefängnis gehen zu müssen. Sein Kommandeur befahl daraufhin, ihn mit Gewalt ("in Handschellen, wenn nötig") in den Irak zu bringen. Aguayo entkam und stellte sich am 26. September 2006 im kalifornischen Fort Irwin der Armee.

Jetzt drohen Herrn Aguayo, u.a. wegen "Fahnenflucht", bis zu sieben Jahre Haft, unehrenhafte Entlassung und die Registrierung als vorbestraft. Der Prozess US gegen Aguayo findet am 6. und 7. März 2007 in den Leighton Barracks in Würzburg statt und ist nach Anmeldung bei der Armee für Presse und Besucher zugänglich.

Wir meinen, die versuchte "Entführung" eines ausländischen Soldaten von deutschem Boden zu einem Kriegseinsatz, der er sich nur durch Flucht entziehen konnte, und bei der ihm das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht gewährt wurde, ist eine nicht hinnehmbare Menschenrechtsverletzung. Wir appellieren daher an Sie, darauf hinzuwirken, dass Agustín Aguayo als Kriegsdienstverweigerer anerkannt und freigelassen wird.

Wir wissen, dass der Fall Aguayo nur einer von zahlreichen Fällen ist, in denen Menschenrechte in den US-Kasernen auf deutschem Boden verletzt werden. Diese nehmen besonders zu, seit die Bush-Regierung versucht, gegen den Willen der Mehrheit und auch gegen den Willen vieler Militärs den Krieg im Nahen und Mittleren Osten auszuweiten.

Wir sind der Meinung, dass Deutschland bei solchen Fällen nicht wegschauen darf. Die Überprüfung der Einhaltung menschenrechtlicher Standards in US-Militäreinrichtungen gehört in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung. Nicht nur der Fall Aguayo sollte hierbei untersucht werden, sondern die deutsche Regierung muss die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards auf deutschem Boden generell auch dann garantieren, wenn es sich um US- bzw. NATO-Truppen handelt. Deutschland muss auf seiner vollen Souveränität und seinem Recht bestehen, regelmäßig die entsprechenden Informationen einzuholen, um sicherzustellen, dass die USA hierzulande deutsche und internationale Rechtsstandards einhalten.

Wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Fall von Major Florian Pfaff 2005 entschieden hat, war die Unterstützung des US-geführten Angriffs auf den Irak Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg. Die Beteiligung an einem solchen Krieg widerspricht deutschem und internationalem Recht und kann auch nicht durch bilaterale Abkommen gerechtfertigt werden. Vielmehr sollten die bestehenden Verträge zwischen Deutschland und den USA auf ihre Vereinbarkeit mit den gültigen Rechtsnormen überprüft und gegebenenfalls entsprechend geändert werden.

 

Wir bitten Sie, den Fall Aguayo und seine Hintergründe zu untersuchen.

 

Unterzeichnet von:

Achse des Friedens

American Voices Abroad (AVA) Military Project

Connection e. V.

Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)

Deutscher Friedensrat e.V.

Friedensratschlag Kassel

Gruppen der Berliner Friedenskoordination

Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg

Informationsstelle Militarisierung IMI e. V.

Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär

Munich American Peace Committee (MAPC)

Netzwerk Friedenskooperative Bonn

Pax Christi, Bistumsstelle Würzburg

Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, März 2007.

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